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Ein Burnout ist ein Erschöpfungssyndrom, das sich über
längere Zeit schleichend durch Überforderung wie
Stress entwickeln kann. Häufig trifft es
gerade sehr engagierte Personen

Burnout Ursachen: Der Einfluss des modernen Arbeitslebens

Burnout Arbeitsleben

In rasanter Geschwindigkeit haben sich in den letzten 20 Jahren Arbeitswelt und Arbeitsbedingungen geändert. Die Industriegesellschaft wurde von der Informations- und Dienstleistungsgesellschaft abgelöst. Arbeit wurde immer knapper, die Produktivität hat sich aber immens gesteigert. Durch den Wandel der Arbeitsbedingungen haben sich auch die Anforderungen an die Beschäftigten und vor allem die physischen Belastungen gewandelt.

"Moderne" Arbeitsbedingungen schaffen ideale Voraussetzungen für den Burnout

Zunächst zu den Zahlen und Fakten: die Anzahl der geleisteten Überstunden pro Jahr in Europa steigen fast kontinuierlich an. In der Schweiz lagen die geleisteten Überstunden nach den Berechnungen des Bundesamtes für Statistik im Jahr 2007 bei 186 Millionen, 4,3% mehr als im Jahr 2006. In Deutschland wurden im Jahr 2007 nach Berechnungen bzw. Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg rund 3 Milliarden Überstunden geleistet - davon die Hälfte unbezahlt.

Da die Schätzung der unbezahlt geleisteten Überstunden eher vorsichtig ausfällt, ist davon auszugehen, dass die Zahlen in Wahrheit noch weit höher ausfallen.

In Zeiten der Wirtschaftskrise und drohendem Arbeitsplatzverlust verschärft sich die Lage nochmals. Die Berner Zeitung schreibt in ihrer Online-Ausgabe in einem Artikel vom 24.03.2009: "Angst vor Jobverlust: Schweizer schieben Überstunden wie nie"1). Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie2) an der Humboldt Universität zu Berlin (siehe Anger 2006) hat herausgefunden, dass unbezahlte Überstunden umso mehr zunehmen, je höher die Arbeitslosigkeit einer Region ist.

Aber die konkrete Angst vor Arbeitsplatzverlust ist nicht die alleinige Ursache dafür, dass nicht mehr nur länger Top-Führungskräfte regelmässig eine 60-Stunden-Woche schieben, sondern auch zunehmend Angestellte im unteren und mittleren Management. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Dr. Bärbel Kerber3) geht in ihrem Buch "Die Arbeitsfalle" den Rahmenbedingungen der neuen Überstundenkultur auf den Grund. Einen Einfluss haben beispielsweise die in den 1990er Jahren flächendeckend in Unternehmen eingeführten neuen Managementkonzepte wie "Lean Management", "Business Reengineering" oder die Einführung von "Vertrauensarbeitszeit", d.h. die Abschaffung von Arbeitszeit-Erfassungssystemen und die Einführung von Profitabilitätskennzahlen als vorrangigem Mitarbeiter-Beurteilungskriterium.

Burnout Ursachen: Der Einfluss des modernen Arbeitslebens (Fortsetzung)

Die Folgen derartiger Konzepte beschreibt Dr. Bärbel Kerber4) folgendermassen:

"So weit, so prächtig, könnte man meinen. Frei und souverän die eigene Arbeitszeit einteilen zu können, ist ein grosser Schritt in Richtung Selbstbestimmung und Selbstständigkeit. Doch merkwürdigerweise führte der Abschied von der Stempeluhr ausgerechnet dazu, dass mehr und mehr Überstunden geleistet wurden. (...) Mit Unterstützung der IG Metall und einigen Wissenschaftlern (..) [wird] nun schon seit Jahren [untersucht], wie diese neue Selbstständigkeit die Mitarbeiter überfordert. (...)

Dabei wurde deutlich: Es herrscht Druck auch ohne Zwang. Weil die Beschäftigten statt eines Zeitsolls nun ehrgeizige Zielvorhaben zu erfüllen haben, arbeiten sie länger - nicht, weil ihr Vorgesetzter es fordert, sondern weil sie fürchten, das erwartete Ergebnis nicht zu schaffen, weil jeder weiss, dass er riskiert, Opfer von Outsourcing, Personalabbau oder eines Karriereknicks zu werden, sofern er die Erwartungen nicht erfüllt." (Kerber4) 2005, S. 18f.)

Ähnlich förderlich für die eigene Selbstausbeutung hätten sich Managementkonzepte wie "Lean Management" ausgewirkt, deren Resultate aus flacheren Unternehmenshierarchien und damit mehr Verantwortung für den Einzelnen bestünden. Dies habe zur Folge, dass der Einzelne bestrebt sei, jede Entscheidung und ihre Zahlen- bzw. Informationsgrundlage doppelt und dreifach zu prüfen, um sich gegen Fehlentscheidungen abzusichern, was wiederum ein Anschwellen des Arbeitsvolumens mit sich bringe.

Flankiert werden diese organisationsstrukturellen durch weitere Erfordernisse und Ansprüche, die die Globalisierung und die Fortschritte der digitalen Technik mit sich bringen. Dazu Kerber4) (2005, S. 25):

"Wenn der Kollege in San Francisco nun erst ins Office kommt, wenn ich eigentlich Büroschluss hätte, führe ich das Telefonat eben nach dem Abendessen von zu Hause aus. Die Globalisierung beschert uns so manche Besprechung zu verrückten Nachtstunden."

- Oder wie der Soziologe Ulrich Beck es formuliert: "Im Land der Globalisierer geht die Sonne nie unter."

Burnout Ursachen: Der Einfluss des modernen Arbeitslebens (Fortsetzung)

Die "Segnungen" des elektronischen Zeitalters mit ihren Hilfsmitteln wie Natel, iPhone und Notebook in Verbindung mit der Allgegenwärtigkeit eines Internetanschlusses tragen ein Übriges dazu bei, nicht einmal im Zug, auf der Autobahn oder in der Flughafen-Lounge, geschweige denn auf dem heimatlichen Sofa oder im Urlaub eine echte Auszeit von der Arbeit zu bekommen. Ständige Erreichbarkeit wird vielerorts als notwendig und daher selbstverständlich betrachtet. Kerbers5) Fazit:

"Bestand im Zeitalter der Industrialisierung im 19. Jahrhundert vor allem die Gefahr der Entfremdung von der Arbeit und der Fremdausbeutung, droht mittlerweile in der Dienstleistungsgesellschaft des 21. Jahrhunderts plötzlich das Gegenteil: die Selbstausbeutung." (Kerber5) 2005, S. 28)

Das, was Kerber populärwissenschaftlich-pointiert beschreibt, wird im arbeitssoziologischen Kontext unter dem Terminus "Subjektivierung von Arbeit" gefasst. In einem Buch mit dem gleichnamigen Titel schreiben die Wissenschaftler Prof. Dr. Moldaschl und Prof. Dr. Voss6):

"[Die] steigende[n] Gestaltungsfreiheiten [erweisen] sich nun immer mehr als systematische Gefährdungen neuer Art für Betroffene (..), (..) die Gewährung von Autonomie [wird] zu einer neuen und, weil nur schwer zu durchschauenden, effizienteren Herrschafts- und Ausbeutungstechnik (..)." (Moldaschl & Voss 2002, S. 14).

In diesem Zusammenhang ist von der "Internalisierung von Marktmechanismen", der "Selbst-Ökonomisierung" und "Selbst-Rationalisierung" die Rede.

Es braucht also nicht eine "Burnout-Persönlichkeit" als zwingende Grundlage, um im Arbeitskontext frühzeitig ein Prinzip der Selbstausbeutung zu praktizieren. Wenn allerdings zu den o.g. Rahmenbedingungen der Arbeit eine solche Persönlichkeitsstruktur hinzukommt, fällt eine gesunde Distanzierung von der eigenen Arbeitstätigkeit umso schwerer.

27.10.2012 - cmz


Fussnoten:

1) siehe hierzu: Berner Zeitung

2) Anger, S. (2006): Overtime Work in Germany - The Investment Character of Unpaid Hours. Aachen: Shaker.

3) Kerber, B. (2005): Die Arbeitsfalle - und wie man sein Leben zurückgewinnt. Strategien gegen die Selbstausbeutung und für ein wertvolles Leben. Regensburg/Berlin: Walhalla.

4) Kerber, B. (2005): Die Arbeitsfalle - und wie man sein Leben zurückgewinnt. Strategien gegen die Selbstausbeutung und für ein wertvolles Leben. Regensburg/Berlin: Walhalla.

5) Kerber, B. (2005): Die Arbeitsfalle - und wie man sein Leben zurückgewinnt. Strategien gegen die Selbstausbeutung und für ein wertvolles Leben. Regensburg/Berlin: Walhalla.

6) Moldaschl, M. & Voss, G. G. (Hrsg.) (2002): Subjektivierung von Arbeit. (Arbeit, Innovation und Nachhaltigkeit, Band 2). München und Mehring: Rainer Hampp Verlag.