burn-out

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burnout-info.ch

Ein Burnout ist ein Erschöpfungssyndrom, das sich über
längere Zeit schleichend durch Überforderung wie
Stress entwickeln kann. Häufig trifft es
gerade sehr engagierte Personen

Burnout Modediagnose

Das Burnout-Syndrom: "Mode-Diagnose" oder wahrhaftige "Epidemie" unserer Zeit?

Immer häufiger wird die Diagnose Burn-out gestellt. Doch wie klar sind diese Diagnosen? Was sind die wissenschaftlichen Grundlagen? Nehmen Burnout-Fälle zu? - Der Versuch Licht ins Dunkel zu bringen.

Der Burnout-Begriff ist mittlerweile in aller Munde, dabei ist er alles andere als klar definiert. Die erste Veröffentlichung zum Thema stammt von Freudenberger 1) aus dem Jahr 1974, der bei ehrenamtlichen Mitarbeitern aus therapeutischen Wohngemeinschaften, Kriseneinrichtungen und ähnlichen Institutionen ein verlaufstypisches Phänomen festgestellt hatte: Nach anfänglich grossem Engagement für die Arbeit folgte nach rund einem Jahr ein physischer und psychischer Zusammenbruch, der durch einen übermässigen Einsatz der Ressourcen verursacht worden war.

Diesen Zustand der physischen und psychischen Erschöpfung, die mit einer zunehmenden Distanzierung von den Klienten und verminderter Arbeitsleistung einherging, bezeichnete er als "burn-out".

Es gibt keine medizinische oder psychologische Standard-Definition von Burnout, geschweige denn ein einheitliches theoretisches Konzept. Viele Definitionen bestehen aus einer Beschreibung des Symptombildes, über das Demerouti 2) kritisch bemerkt, es weise in Summe "eine verwirrende Heterogenität und ein hohes Mass an Widersprüchlichkeit" auf.

Eine unter Wissenschaftlern oftmals verwendete Definition des Burnout-Syndroms stammt von Maslach und Jackson 3). Sie verstehen Burnout "...als ein Syndrom emotionaler Erschöpfung, Depersonalisierung und reduzierter persönlicher Leistungsfähigkeit, das bei Individuen, die in irgendeiner Weise mit Menschen arbeiten, auftreten kann".

Schaufeli und Enzmann 4) definieren Burnout folgendermassen: "Burnout ist ein dauerhafter, negativer, arbeitsbezogener Seelenzustand 'normaler' Individuen. Er ist in erster Linie von Erschöpfung gekennzeichnet, begleitet von Unruhe und Anspannung, einem Gefühl verringerter Effektivität, gesunkener Motivation und der Entwicklung dysfunktionaler Einstellungen und Verhaltensweisen bei der Arbeit."

Entsprechend wichtig ist bei einer Burnout-Diagnose, die Symptome, Zeit- und Verlaufskriterien differenziert abzuklären und andere mögliche Erkrankungen (wie z.B. eine Erschöpfungsdepression oder körperliche Erkrankungen wie Stoffwechsel- oder Hormonstörungen, Infektionen) auszuschliessen. Da es aber kein einheitliches theoretisches Konzept für das Burnout-Syndrom gibt, existieren auch keine objektiven Diagnosekriterien, sondern lediglich verschieden populäre Messinstrumente in Form von Fragebögen, die vom Betroffenen auszufüllen sind.

Der in wissenschaftlichen Untersuchungen am häufigsten verwendete Fragebogen ist das Maslach-Burnout-Inventory, MBI abgekürzt. Es besteht aus 22 Items auf einer siebenstufigen Antwortskala, die insgesamt drei Dimensionen von Burnout erfassen. Dieses Messinstrument ist trotz seiner wissenschaftlichen und praktischen Popularität nicht unumstritten; kritisiert wird vor allem die mangelnde Konstruktvalidität (d.h. es gibt grosse Überschneidungen mit Messinstrumenten für Arbeitszufriedenheit, Stress, Emotionalität als Persönlichkeitseigenschaft und depressiven Verstimmungen), die mangelnde Berücksichtigung weiterer relevanter Burnout-Merkmale und der zu enge Bezug auf 'helfende Berufe'. Ferner liegen Auswertungsprobleme des Tests vor, und es gibt keine aussagekräftigen Normwerte, d.h. es ist unklar, ab welchem Ausprägungsgrad von einem Burnout gesprochen werden kann.

Alternative, aber deutlich seltener verwendete wissenschaftliche Messinstrumente sind z.B. das OLBI (Oldenburg Burnout Inventar) von Demerouti (1999), das HBI (Hamburger Burnout Inventar) von Burisch (2005), das CBI (Copenhagen Burnout Inventory) von Kristensen et al. (2005) oder die Überdrussskala (Tedium Measure) von Aronson, Pines und Kafry (1981). Ferner gibt es spezielle Burnout-Messinstrumente für bestimmte Berufsgruppen, z.B. das TBS (Teacher Burnout Scale) für Lehrer. Allen Messinstrumenten liegen spezifische Vorteile und Schwächen zugrunde, aufgrund derer keines der Instrumente eine wissenschaftlich begründbare Vorreiterstellung hinsichtlich seiner Angemessenheit oder Gültigkeit geniesst. Ungeachtet der unklaren Diagnosekriterien erkennen Gerichte das Burnout-Syndrom mittlerweile als Erkrankung an, um beispielsweise eine Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch zu nehmen (so beispielsweise das Landgericht München in einem Musterurteil von 2006, Aktenzeichen 25 O 19798/03.

Seit der zehnten Auflage der "Internationalen Klassifikation der Erkrankungen" der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem sog. ICD-10, wird Burnout als "Ausgebranntsein" und "Zustand der totalen Erschöpfung" mit dem Diagnoseschlüssel Z73.0 erfasst. Der Abschnitt Z umfasst "Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen", der Unterabschnitt Z73 beinhaltet "Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung".

Das Burnout-Syndrom gilt nach diesem Klassifikationssystem nicht als eigenständige Krankheit, wurde aber als möglicher Einflussfaktor für die Entstehung von Krankheiten anerkannt und kann seitdem auch in "offizielle" ärztliche Diagnosen mitaufgenommen werden. Im Leistungskatalog deutscher Krankenkassen wird Burnout allerdings nicht aufgeführt, weshalb Ärzte, die Patienten mit dem Burnout-Syndrom behandeln, für die Abrechnung i.d.R. auf andere und als Krankheit anerkannte Diagnosen wie Depression, Neurasthenie, Anpassungsstörungen, Angststörungen oder das Chronische Müdigkeitssyndrom ausweichen.

Die in verschiedenen Studien konstatierte zunehmende Verbreitung des Burnout-Syndroms und anderer psychischer Erkrankungen, die zu Arbeitsausfällen in Organisationen führen, könnte somit nicht allein an den zunehmenden Belastungen des modernen Arbeitslebens liegen, sondern zum Teil auch daran, dass mittlerweile viele Betriebs- und Hausärzte für derartige Erkrankungen sensibilisiert worden sind und sie entsprechend häufiger entdecken bzw. richtig diagnostizieren. Ebenso könnte sich nach Einschätzung des Arbeitspsychologen Prof. Dr. Ulich 5) die Bereitschaft auf der Seite der Betroffenen verändert haben, wegen psychischer Probleme eine zuständige Instanz aufzusuchen. Die Tatsache, dass ein Burnout-Syndrom also kein Tabu mehr darstellt, indem es Betroffene als psychisch labil stigmatisiert, sondern mittlerweile gewissermassen als gesellschaftlich anerkannt gilt, könnte zum beobachteten "Burnout-Hype" beigetragen haben.

Der Psychologe Björn Husmann 6) macht in einem kritischen Artikel auf die Nutzniesser des medialen Burnout-Hypes aufmerksam:

"Die Presse nutzt den Wiedererkennungswert oder greift die hohe Erkrankungsrate auf und macht daraus eine Schlagzeile. (...) Medien (..) mischen 'gefühlte Gefahr', 'spannende' Berichterstattung und Fakten: Der Stern (30/07) liess z.B. Experten sprechen: Burnout sei wie eine 'Epidemie' und 'das Burnout-Gefühl' würde sich besonders unter Menschen zwischen 30 bis 55, wie die Grippe im Februar verbreiten. Davon wären längst nicht mehr nur Gutverdiener oder eine Avantgarde aus den Bereichen 'social work', Management oder kreative Berufe betroffen, sondern Untersuchungen belegen vielmehr, dass insbesondere solche Menschen am Erschöpfungssyndrom erkranken würden, deren Tätigkeit durch wenig Entscheidungsfreiraum plus geringe Einflussmöglichkeiten bei gleichzeitig starkem Druck gekennzeichnet ist (high demand, low influence). Das macht das Thema auch für die sich stark fremdbestimmt fühlenden, sog. 'kleinen Angestellten' interessant und gibt den Medien somit Gelegenheit, sich mit einer grossen Gruppe von Werktätigen gesundheitsbewusst zu solidarisieren. (...) Insofern ist das Thema also nicht nur aufgrund seines die Auflage steigernden Wiedererkennungswerts en vogue, sondern auch deshalb dankbar, weil Medien u.a. sich mit ihm sowohl kritisch-aufklärerisch als auch gleichzeitig modern-psychologisch-gesundheitsbewusst inszenieren können. (...) Diese Art des Medienechos führt wiederum zu einem gewissen Hype mit der Folge, dass Burnout zu einem geflügelten Wort der Alltagssprache wird. Viele Menschen identifizieren sich dabei eher intuitiv, weil sie sich häufig erschöpft fühlen. Anderen reicht ein oberflächliches Verständnis - sarkastisch ausgedrückt: auf demselben 'küchenpsychologischen' Niveau wie mancher 'Mittagstalk' -, um bei jedem etwas grösseren 'Hänger' ein beginnendes Burnout zu beklagen. Der sekundäre Krankheitsgewinn lässt grüssen." (Husmann 2008, S. 41f.)

21.11.2012 - cmz


Fussnoten:

1) Freudenberger, H. J. (1974): Staff burn-out. Journal of Social Issues, 30, S. 159 - 165

2) Demerouti, E. (1999): Burnout: Eine Folge konkreter Arbeitsbedingungen bei Dienstleistungs- und Produktionstätigkeiten. Frankfurt: Peter Lang.

3) Maslach, C. & Jackson, S. E. (1984): Patterns of burnout among a national sample of public contact workers. In: Journal of Health and Human Resources Administration, 7, S. 189-212.

4) Schaufeli, W. B. & Enzmann, D. (1998): The Burnout Companion to Study and Practice: A Critical Analysis. London: Taylor & Francis.

5) Ulich, E. (2008): Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. In: Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (Hrsg.): Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz in Deutschland, Berlin: BDP, 22.4. 2008, S. 8-15.

6) Husmann, B. (2008): "Burnout ist, wenn die Selbstheilungskräfte falsch abgebogen sind..." Wie chronische seelische Kränkungen zum Erschöpfungssyndrom führen und wie Achtsamkeitsförderung der Salutogenese neuen Auftrieb geben kann. In: Entspannungsverfahren 2008, Ausgabe 25, S. 39 - 88.